Mit dem Schreibtipp des Monats erhalten Sie Anregungen fürs tägliche Texten. Auch als Auffrischung nach dem Seminar.


"Liebe sehr geehrte ..."

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schreibtipps,

letzte Woche ist mir das wieder einmal passiert. Ich schrieb einen Kunden mit "Lieber ... " an und er antwortete mit "Sehr geehrte ...".

Hmm. Erinnert er sich nicht daran, dass wir vor einigen Jahren schon öfter - und auch persönlich - in Kontakt waren? Oder erinnere ich mich falsch? Oder schreibt er sowieso immer "Sehr geehrter ..." Der Grundtenor bleibt: Bin ich dem anderen mit "Lieber ..." zu nahe getreten?

Die Frage nach der „richtigen" Anredeform kommt häufig in meinen Seminaren zum Schreiben von E-Mails und Briefen. Daher beleuchte ich in diesem Schreibtipp einige Aspekte, die Einfluss auf die Wahl der Anredeform haben.

Von „Sehr geehrte..." bis „Hallo...":

1. "Nur" vier Möglichkeiten

"Sehr geehrte ...", "Guten Tag ...", "Hallo ...", "Lieber ...", das macht insgesamt nicht mehr als vier Möglichkeiten der persönlichen Anredeform. Selbst wenn Sie noch Varianten hinzunehmen wie "Guten Morgen..." oder "Hallo lieber ...", werden es nicht viel mehr.

Kein Wunder also, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, schon bei der Anrede genau richtig zu liegen für die (Geschäfts-) Beziehung, die Sie zum jeweiligen Empfänger haben.

Natürlich gibt es einige Empfehlungen. Für den ersten Kontakt ist im Brief oft noch „Sehr geehrte ..." üblich, in E-Mails kommt (öfter als in Briefen) auch im Erstkontakt das „Guten Tag ..." zum Einsatz. "Lieber ..." passt vor allem, wenn Sie schon öfter miteinander telefoniert haben oder sich auch persönlich begegnet sind. Und "Hallo ..." kommt bei den meisten nur in E-Mails mit Kolleginnen und Kollegen gut an. 

2. Ihr Text - mehr als die Anrede

Frei nach Paul Watzlawick: Kommunikation ist das, was ankommt. Und da haben Sie es bei der doch eher übersichtlichen Auswahl an Anredeformen einfach nicht komplett in der Hand.

Hat der andere sich schon an "Guten Tag" gewöhnt oder mag er es gar nicht? Ist "Liebe ..." eine Anredeform, die er oder sie nur in der privaten Kommunikation schätzt? Oft können Sie das einfach nicht wissen.

Aber: Die Anrede ist nicht alles. Auch wenn sie früh im Text kommt. Ob Ihr Schreiben persönlich, engagiert oder überzeugend beim anderen ankommt, liegt nicht nur an ihr (und den Grüßen), sondern vor allem daran, was und wie Sie im eigentlichen Text formulieren.

Wenn Sie sich also für ein eher förmliches "Sehr geehrter ..." entscheiden, können Sie im Text selbst durch etwas mehr Nähe ausgleichen. Und wenn Ihre Wahl doch auf das "Liebe ..." fällt, kann - bei Bedarf - der Ausgleich im Text durch etwas gediegenere Formulierungen erfolgen.

Für die Anredeform gilt wie auch sonst in der Korrespondenz: Die Regeln für das, was üblich ist, was akzeptiert oder gemocht wird, ändern sich schneller als früher. Wichtig ist also, die Augen offen zu halten für das, was sich in Ihrem Unternehmen, Ihrer Branche oder auch allgemein in der Kommunikation tut und daraus Ihr eigenes Vorgehen für einen wertschätzenden und persönlichen Umgang mit anderen zu entwickeln.<

3. In der internen Kommunikation

"H. zs." oder "Liebe KuK, ..." Auch Abkürzungen wie diese kommen in meinem Seminaren öfter zur Sprache. Und beim Empfänger kommen sie nicht gut an. Wirklich Zeit sparen lässt sich damit auch nicht. Meine Empfehlung deshalb: Schreiben Sie auch bei Kolleginnen und Kollegen sowohl die Anrede als auch die Grüße aus.

Und noch etwas: Wenn in der internen Kommunikation bestimmte Anredeformen ein "Muss" sind, z.B. das "Lieber/r", dann nutzen sich diese Anreden natürlich auch schneller ab. So kann es dazu kommen, dass ein "Hallo ..." persönlicher wirkt (weil seltener eingesetzt) als das "Liebe ..."

Nun wünsche ich Ihnen einen schönen zweiten Advent, geruhsame Weihnachtstage und einen guten Rutsch und verabschiede mich mit einem "Auf bald" in 2018.

 

 

 

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