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200 Jahre Umgangssprache

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schreibtipps,

gute Umgangsformen im Beruf, darum ging es letztens in einem Beitrag im Netzwerk XING. Umgangsformen, Umgangston – beides lässt sich positiv verwenden. Nur die  Umgangssprache ist von sich aus negativ besetzt. Schade eigentlich, denn sie bringt auch Positives mit.

Vom guten Umgang miteinander, auch in der Sprache


1. Joachim Heinrich Campe - der "Erfinder" der Umgangssprache

Keine Standardsprache, keine Fachsprache – die Umgangssprache definiert sich eher über das, was sie nicht ist. Den Begriff „Umgangssprache“  hat Joachim Heinrich Campe im 19. Jahrhundert in die Sprachwissenschaft eingeführt. Es ging ihm zunächst einmal darum, verschiedene Sprachstile voneinander abzugrenzen. Negativ besetzt war der Begriff bei ihm noch nicht. Zum Wortgebrauch "umgangssprachlich = nachlässig" kam es erst später.

Ein wichtiges Anliegen war es Campe übrigens auch, deutsche Wörter für Fremdwörter zu finden. Durchgesetzt von seinen Vorschlägen hat sich zum Beispiel "Erdgeschoss" für "Parterre" und "Hochschule" für "Universität".  Anderes dagegen nicht: wie "Zwischenstille" für "Pause" oder "Schalksernst" für "Ironie". Mehr davon lässt sich in Wikipedia bei Joachim Heinrich Campe finden.

2. Von Situation und Gegenüber abhängig - der richtige Ton

Sie schreiben eine E-Mail an einen Kollegen - in einem Satz. Sie bewerben sich auf eine Stellenausschreibung in einem Großunternehmen. Sie beschweren sich, weil eine Lieferung auch nach dreimaligem Nachfragen noch nicht eingetroffen ist. Sie fragen bei einer Freundin nach, warum sie sich so lange nicht gemeldet hat. Ziemlich unwahrscheinlich, dass Sie in all diesen Situationen genau denselben Ton verwenden.

Auch wenn jeder von uns eine "Schreibstimme" haben kann, so stellen wir uns doch auch ganz natürlich auf die Situation und den Ansprechpartner ein. So wie wir es im Gespräch halten würden. Und so kann „Melde dich doch gleich mal dazu“ im einen Fall passen, wo im anderen Fall „Melden Sie sich doch gleich mal dazu.“ gar nicht gut ankommt.

3. Schreiben wie die anderen reden?

Auch für Wolf Schneider wichtig, den Germanisten und Journalisten: Die Frage nach dem "Schreibe, wie du redest". In "Deutsch: Handbuch für attraktive Texte" geht er im Kapitel "Probleme" darauf ein: „Soll man schreiben, wie man spricht?“

Sein Einwand gegen das allzu Mündliche: Die Dominanz der "plappernden Moderatoren, keuchenden Sportler, wichtigtuerischen Fernsehkommissare und (in den Nachmittags-Talkshows) beichtwütigen Teenager" in den Medien.

An dem, wie andere reden, brauchen Sie sich allerdings beim "Schreibe, wie du redest" gar nicht zu orientieren. Es reicht, wenn Sie sich selbst gut zuhören und sich bewusst machen, welche Wortschätze aus dem persönlichen Gespräch Ihnen auch beim Schreiben hilfreich sein könnten.

Herzliche Grüße,

Ihre

 

 

 

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