Mit dem Schreibtipp des Monats erhalten Sie Anregungen fürs tägliche Texten. Auch als Auffrischung nach dem Seminar.


Kennen Sie die Erlebniswelt Ihres Lesers?

 

Liebe Leserinnen und Leser des Schreibtipps,

ein Artikel in der Bioladen-Zeitschrift Schrot & Korn. Der Einstieg: „Woran erkennt man das Artensterben? Antwort: An der Windschutzscheibe. Was wie ein schlechter Witz klingt, ist mittlerweile ein Fakt, den jeder Autofahrer nachvollziehen kann. Waren vor 20 Jahren die Windschutzscheiben bei einer sommerlichen Fahrt übers Land noch voller Insekten, bleibt die Sicht heute fast frei...“

Diese ersten Sätze des Artikels brachten mich zum Nachdenken. Ist das so? Muss ich die Scheibe nicht doch noch reinigen, wenn ich in den Urlaub gefahren bin? Aber stimmt, es ist weniger als früher. Und schon war ich mitten drin in einem Artikel, den ich sonst vielleicht nicht gelesen hätte.

Im Text-Workshop nenne ich das: „Den Leser in seiner Erlebniswelt abholen.“ Da nicken die Teilnehmer zwar, aber an ihren Blicken sehe ich, dass nicht alle mit diesem „Marketing-Sprech“ etwas anfangen können. Deshalb heute einige Tipps dazu.

Wie Sie Ihre Leserinnen und Leser in ihrer Erlebniswelt abholen:

1. Ideen sammeln

Kino im Kopf oder Storytelling: Im Einstieg beschreiben Sie eine Situation, bei der Sie davon ausgehen, dass der Leser sie kennt. Dafür ist es am besten, zunächst ein Brainstorming machen: Was könnten Erfahrungen sein, die der Leser schon einmal zu dem Thema gemacht hat, zu dem Sie ihm heute schreiben? Welche Situationen kann er erlebt haben?

2. Ins Schreiben kommen

"Das haben Sie bestimmt schon einmal erlebt" oder "Kennen Sie das auch:", solche Einstiegssätze wirken manchmal etwas aufgesetzt. Die gute Nachricht: Auch wenn Sie sie benutzen, um ins Schreiben hineinzukommen, lasse sie sich oft hinterher wieder herausnehmen.

Vorher: Liebe Frau Muster, das kennen Sie bestimmt: Sie suchen nach einem bestimmten Wort, aber es will Ihnen partout nicht einfallen... Nachher: Liebe Frau Muster, Sie suchen nach einem bestimmten Wort, aber es will Ihnen partout nicht einfallen...

3. Den Bogen schlagen

Bei einem ganzseitigen Artikel kann das Abholen des Lesers zum Thema auch mal zwei Absätze umfassen. Wenn Sie einen Brief oder eine E-Mail schreiben, sollte der Einstieg über Kopfkino oder Storytelling nur 1-2 Sätze kurz sein. Sonst "verliest" sich der Leser so in Ihrer Geschichte, dass Sie nicht mehr den Bogen zu Ihren eigentlichen Aussagen bekommen.
Den kompletten Artikel aus Schrot & Korn finden Sie übrigens hier:

http://schrotundkorn.de/lebenumwelt/lesen/artensterben.html

Und achten Sie mal auf die Windschutzscheiben. Einen schönen Sommer wünscht


 

 

 

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